Ein Sturm zieht auf

“Ein Sturm zieht auf” misst 49 x 66 cm und ist mit  Acryl auf Papier gemalt.

 

Zu sehen ist ein Mann, welcher von einer Düne aus einen heranziehenden Sturm beobachtet.

-Von Traum und Wirklichkeit-

Jenes Bild sollte eigentlich das erste einer Serie von drein sein, die auf einem Traum beruhen sollte. In jenem Traum spazierten zunächst zwei Männer entlang einer Düne an einem Strand. Einer der beiden drehte sich um und blickte auf das Meer. „Ein Sturm zieht auf“, sagte er, während er die Wellen betrachtete, die wild und aufgewühlt am Fuße der Düne strandeten. Sein Freund drängte ihn lediglich zum Weitergehen.

 

Die zweite Szene spielt am selben Strand einige Stunden später. Die Nacht ist hereingebrochen und ein Sturm ist aufgezogen. Zu sehen ist ein gelbes Strandhaus, was sich noch gerade den herandonnernden Wellen erwehren kann. Diese reichen bereits bis zum Rande der Düne und drohen sie zu überschwemmen. Blitze zucken über den schwarzen Himmel und erleuchten die in wilder Raserei schäumenden Wellen für eine Sekunde in grünlichem Licht. Wie schroffe spitze Felsen bäumen sich diese Wellen auf, fallen wieder in sich zusammen und drohen mit all ihrem Lärm und all ihrer Kraft das Land zu überspülen.

 

Schnitt, drittes Bild. Der Mann blickt hoch in den Nachthimmel. Doch sieht er keine Sterne. Sein Blick schaudert vor einer haushohen Welle, die ihn niederschlagen wird. Wie man eine Mücke auf dem Tisch mit der flachen Hand zerschlägt. Grimmig blickt die Welle auf ihn herab und stürzt über ihm zusammen.

 

Wie ich schon sagte, malte ich nur das erste der drei Bilder dieses nicht gänzlich unspektakulären Traums. Eines Tages war ich dann mit meiner Familie im Urlaub an der See. Ich spazierte neben meiner Mutter den Strand entlang. Sie sagte, das Meer und die Wolken sähen heute so aus wie auf diesem Bild. Und die Ähnlichkeiten waren tatsächlich erschreckend. Die Wolken am Horizont bildeten dieselbe Dreiecksstruktur. Weiter rechts im Blickfeld öffnete sich tatsächlich in den Wolken ein Loch, durch welches die Sonne die Wolken erhellte und über den kleinen Schäfchenwolken daher trieben, die im Licht gelblich schienen. Auch das Meer war tatsächlich stürmisch und aufgewühlt. Ich fand mich plötzlich in einer realistischeren Version des Bildes wieder, was ich ein Jahr zuvor auf der Basis eines Traums gemalt hatte. Ich schaute mir die Wolkenformationen an, schaute mir das unruhige Meer an und dachte bei mir: „ein Sturm zieht auf“. Die Situation war so surreal, dass ich des Nachts nahezu schwarze Wellen erwartete, die über uns hereinbrechen würden. Aber Stürme können auf verschiedene Art heraufziehen. Kurz darauf erlitten verschiedene Familienmitglieder verschiedene schwere Krankheiten. Meinerseits sah ich mich mit einer gewissen Orientierungslosigkeit im Leben konfrontiert. Stürme um mich herum und Stürme in mir drin. Am Ende hat uns die große Welle nicht erschlagen, aber die Metapher ein Sturm würde aufziehen war sicherlich nicht falsch.

 

Mehrere Erlebnisse dieser Art haben mich glauben lassen, dass in gewisser Weise diese Bilder Portale sind, die dem aufmerksamen Betrachter einen Einblick zu jenem Äther von Zeitgeist geben können, der uns alle umströmt. Jedes ehrliche Bild ist immer auch ein Selbstportrait. Jedes ehrliche Bild ist aber immer auch ein Spiegel. Ich empfinde meine Bilder als schillernde Facetten meiner Seele und hoffe, dass der interessierte Betrachter sich in ihnen aufs Neue wiederfinden kann.

Copyright © 2022 Nikolai Bolik