Durchgang

“Ein Durchgangmisst 80 x 120 cm und ist mit Öl auf Leinwand gemalt.

 

Abgebildet ist eine vereiste Wiese, an deren Horizont sich eine Baumgruppe erhebt. Durch die Bäume scheint einladend ein warmes Licht.

-Von Vision und Traum-

Manche Bilder werden konstruiert, andere erträumt und wieder andere gesehen. Einst lag ich Musik hörend auf meinem Bett und beobachte die kleinen Schlieren und Muster, die auf der Innenseite meiner geschlossenen Auggen vorbeiziehen. Schließlich bilden diese ungeordneten Muster sinnvolle Formen und entwickeln ihr eigenes Leben.

Ich stehe in der Dunkelheit. Grünlich schwarz wabern die Schatten um mich herum. Ich bewege mich gleitend nach vorne. Immer näherkommend erblicke ich eine Figur. Nur ihre Konturen sind zu sehen, als hätte wer mit einem Messer das Zelt der Dunkelheit aufgeschlitzt und aus diesen Wunden in der Dunkelheit quillt das Licht. Die Lichtlinien bewegen sich, einem Daumenkino ähnlich, nur abgerissen und fügen die Umrisse eines Mannes zusammen.

 

Diesem nähere ich mich. Mir hat er den Rücken mir zugekehrt. Er sitzt nackt vornübergebeugt auf einem Schemel und arbeitet mit seinen Händen. Dort sitzt er wie ein nordischer Gott, der seit Anbeginn der Zeit dort war und bis zu ihrem Ende dortbleiben würde. Über seine Schultern fallen lange Haare und seine Haut wird durch dicke Muskelstränge gestrafft. Als er mein Heranschleichen bemerkt erhebt er sich. Erzürnt über meine Anwesenheit lässt er die Schatten erzittern.

 

Ich stolpere zurück. Er wächst größer, bis an die Decke der Dunkelheit. Ich falle. Er ballt eine Hand an seiner Hüfte zur Faust. Die andere Hand streckt er Flach aus und stößt seinen Arm in fortweisender Gestik mir entgegen. Er brüllt unverständliche Zauberworte, seine Hand sprüht Lichtstrahlen.

 

Ein harter Druck trifft durch die Luft hinweg meine Brust, packt mich und schleudert mich von ihm fort. Ich falle, sinke, Wasser umfängt mich. Tiefer sinke ich. Spüre wie die Kälte in meine Gliedmaßen kriecht, spüre die Luftlosigkeit in meinen Lungen. Dann spüre ich das Brennen des Wassers, wie es meine Lungen flutet. Ich sinke tiefer, immer tiefer, spüre meine Ohren bluten, als der Druck mein Trommelfell zerdrückt. Schließlich Boden. Mein Rücken schlägt auf dem Grund auf. Schlagartig flüchten die Schatten. Ganz als würde Tinte über ein Blatt Papier gegossen, nur in verdrehter Zeit.

 

Wie die Schatten verfliegen, stehe ich auf einer vereisten Wiese. Meine Schritte spüren das harte Gras unter meinen Füßen knarzen.  Am Horizont zeichnet sich eine Baumgruppe ab. Die Bäume bilden eine Barriere, die den Blick zum Horizont versperrt. Doch durch diese Barriere hindurch bildet sich ein Weg. Als würde hier die Sonne durchs Geäst scheinen lädt mich ein warmes Leuchten ein diesem Durchgang zu folgen. Ich werde sein rufen beantworten müssen, so wie wir alle.

Copyright © 2022 Nikolai Bolik